Reisender Bauer trifft auf schwäbischen Hippie

25.02.2019 10:00 von ITS-Schmidt

Reisender Bauer trifft auf schwäbischen Hippie

Die närrische Prunksitzung im Martinisaal hat einige Glanzlichter zu bieten.


Der Martinisaal war am Samstagabend gut gefüllt. Narren aller Art hatten sich dort zur Prunksitzung der Kornwestheimer Fasnet-Zunft zusammengefunden, um das dreifach donnernde „Narri - Narro“ so oft wie möglich durch den Raum zu schmettern. Geboten wurde dabei ein abwechslungsreiches Programm.

Dem RTL- „Dschungelcamp“ direkt entfleucht war eine Gruppe, die – stilecht mit Ledercowboyhüten, den Telefonnummern auf dem Rücken und Trinkflaschen – an diesem Abend keine Tapirhoden, vergorene Eier oder Heuschreckenmarmelade verspeisen musste. Die einzige Prüfung schien für sie das Durchhaltevermögen beim Tanzen zu sein. Auch eine mutige Dame, die Ähnlichkeit mit Marie-Antoinette hatte, wurde gesichtet. Ob sie die Sitzung überlebt hat, ist zum Redaktionsschluss unbekannt.

Stolze Eltern, Familien und Freunde klatschen den Mädchen der verschiedenen Gruppierungen wie der Juniorengrade, den Mini-Blitzern und den Blau-Weißen Blitzern begeistert zu. Die strahlenden jungen Damen in rosa-silbernen Kostümen tanzten im Gleichschritt, vollführten einen Spagat, brachten flotte Showtänze oder straff organisierte Marschtänze auf die Bühne, die ein schönes, wenn auch idealisiertes Bild der Stadt schmückte.

Tradition und Moderneres

Der Tradition Kornwestheims verpflichtet sah sich die Maskengruppe Garbenstrickle und Früchtle. Ihr Tanz symbolisierte unter anderem den leichten Wind durch die Getreidefelder, während ihre Schellen an die harte Fronarbeit von Ochse und Ackergaul erinnerten. Die Masken wiederum stehen für bäuerliche Klugheit und spiegeln die Schläue der Bewohner des alten ursprünglichen Dorfes wider.

Die Gruppe Los Titzos aus Ditzingen heizte mit Leningrad-Cowboys-Frisuren dem Publikum dann ordentlich ein. Es folgte ein sehr buntes und gewagtes Medley durch die populäre Musik. Beginnend mit dem Einmarsch zum legendären „Radar love“ von Golden Earing über „Westerland“ von den Ärzten bis zu Heinz Rudolf Kunzes „Dein ist mein ganzes Herz“, spielten sie auch Schunkellieder auf hohem professionellem Niveau. Es wurde getanzt, und eine Polonaise durfte nicht fehlen.

Erster Glanzpunkt auf dem Gebiet der Büttenreden stellte s’Friedele alias Bronnweiler Weibele (Friedel Kehrer) dar, das laut schimpfend und gestikulierend den Saal betrat. Mit dem altbackenen Charme einer Oma Eusebia, Fix und Foxis streitbarer Anverwandte, schritt sie – ganz in Schwarz, mit Pillbox, langer Perlenkette und gefalteter Zeitung gleichsam zum Schlage bereit – zwischen den Reihen zur Bühne. Glücklicherweise ist ihr Programm nicht ähnlich von gestern, sondern sie mischt Lokalpolitisches unter ihre Witze, was sehr gut ankam. Im reinsten Hochschwäbisch erklärte sie nicht nur, dass man Stadträte durchaus auch im Baumarkt erwerben könnte, unter dem Etikett „Nieten ohne Köpfe“, und stimmte ein selbstgetextetes Fasnetliedchen an der Gitarre an, wohlwollend vom ganzen Saal begleitet.

Nach so viel Spott beruhigten die blauen Blitzer noch einmal vor einer kleinen Schunkelpause die Gemüter und stimmten für die zweite kabarettistische Einlage, das Erscheinen des letzten schwäbischen Hippies, passend mit langen Zottelhaaren und Peace-T-Shirt. Helmut Gärtner erhielt im Jahre 1 nach 50-Jahre-68 für seinen Auftritt tosenden Beifall. Bei „Nackig, nackig on heavens door” konnte sogar mitgesungen werden. Unterstützung erhielt der Langhaarige zudem noch von zwei weiteren Zeitgenossen, die dem amüsierten Fußvolk ihre Künste an der Luftgitarre vorführten.

Mitglieder geehrt

„Unsere Jugend soll gefordert und gefördert werden“, beschloss der Vorstand der Fasnet-Zunft im vergangenen Jahr und übergab die Staffel an jüngere Mitglieder. Diese, besonders aber Klaus Magerl, ehemaliger Oberzunftmeister, wurden am Samstag geehrt, Magerl mit der Versetzung in den Stand des „Ehrenzunftmeisters.“

Peter Kienzle vom Verein zeigte sich mit dem Abend zufrieden: „Unsere OB, Ursula Keck, Bürgermeister Dietmar Allgaier und viele Vertreter der Stadtverbände, auch einige Stadträte sind heute hier und feiern“, sagte er erfreut. Als einziger Büttenredner des Vereins hatte er einen Auftritt und machte als reisender Bauer seine Vaterstadt unsicher. Auch die Zuschauer waren nicht enttäuscht. Die 18 Euro Eintrittspreis hätten ihn wahrhaftig nicht gereut, befand Ernst Reuter am Ende der mehrstündigen Veranstaltung.

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Reisender Bauer trifft auf schwäbischen Hippie, Kornwestheimer Zeitung, Viola Eigenbrodt

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