Maskenabstauben Bericht KWZ

16.01.2015 10:27 von ITS-Schmidt

Strickle und Früchtle sind vom Staub befreit

Kornwestheim Die Fasnetzunft hat die letzten Konfettis der vergangenen Saison aus den Häsern geschüttelt. Michael Mangold

Der Martinisaal tobt, getaucht in Blau-gelb, den Farben der Stadt wie auch der Fasnetzunft Kornwestheim. Häser, Masken und Kostüme wirbeln wild tanzend durcheinander. Die Zeit des Karnevals und der schwäbisch-alemannischen Fasnacht hat begonnen. Jede Karnevals-Kultur scheint ihre eigenen Traditionen zu haben, wie diese denn am knalligsten einzuleiten sei.

In New Orleans, Hochburg des Nordamerikanisch-kreolischen Carnivals, wo die Wochen vor Mardi Gras, dem 'fetten Dienstag', exzessiv mit Parade nach Parade zelebriert werden, besteigt am Tag der Heiligen Drei Könige eine besonders hartgesottene Narrenbande namens 'Phunny Phorty Phellows' die historische Straßenbahn und knattert am Mississippi entlang flussabwärts gen Downtown, begleitet vom Jubel der Schaulustigen, die auf reichlich aus dem Wagen geworfene Perlenketten hoffen.

Auch in Kornwestheim sind einige Narrengruppen die Vorreiter, wenn es darum geht, die Stadt in die närrische Zeit mitzureißen. Wie jedes Jahr gehören die 'Garbenstrickle' und 'Früchtle' der Fasnetzunft Kornwestheim dazu. Guggenmusiker stürmen mit lautem Getöse in den Martinisaal, gekleidet in ihre Uniformen, die frisch einem 70er Jahre Science-Fiction-Film entsprungen sein könnten. Sie läuten die Zeremonie ein, die bei den Kornwestheimer Maskengruppen 'Abstauben' genannt wird. 'Taufe', 'Erwecken', 'Narrensprung' verwenden andere Gruppen für das gleiche Ereignis.

Bryan Adams' 'Summer of 69' spielen die Guggenmusiker - und liegen damit glatt zwei Jahre daneben. Denn 2015 feiert die Kornwestheimer Narrenzunft ein Jubiläum. Vor genau 44 Jahren wurde die Maskengruppe 'Garbenstrickle und Früchtle' ins Leben gerufen. Und da die 44 den Narren weit mehr bedeutet als die klassische 50 wird die frisch angebrochene Saison mit besonderer Ausgelassenheit begangen werden.

'Das Abstauben haben wir damals in der Gaststätte 'Altes Rathaus' durchgeführt, erinnern sich die Älteren, denen an jenem Abend besonders gedacht wird: Insbesondere die ersten Maskenräte des Jahres 1971 werden geehrt: Walter Scholz, Helmut Schock, Albert Stäudle, Alfred Stäudle, Günter Weber, Alfred Beutel und Gerd Dalferth.

'Abstauben' meint einen symbolischen Akt, bei dem das Häs vom Staub befreit und für die Saison fit gemacht wird. Zwei Kinder der Zunft tragen die beiden Häser, bei denen die Häsmeisterin Susanne Killgus den Staubwedel ansetzt. Das Konfetti der letzten Saison rieselt aus den Haaren zu Boden.

Die Maskengruppe nimmt das Jubiläum zum Anlass, die historische Symbolik der Gewandungen vor Augen zu führen. 'Kornwestheim war früher eine der Kornkammern des Südens, ein sehr fruchtbares Land', erzählt Maskenmeister Thomas Holz. Die Häser, in den Farben der Stadt gehalten, sollen die Landschaft, und das Leben der Kornwestheimer in dieser Landschaft zum Ausdruck bringen. So verweist der Schmuck der 'Früchtle' auf die Fruchtbarkeit der Kornwestheimer Äcker. Die Maske der 'Garbenstrickle' drückt bäuerliche Schlauheit aus, ein Pokerface, das es sich nicht anmerken lässt, 'dass es eigentlich mehr in der Tasche hat als allgemein angenommen.' Das Stadtwappen tragen die Narren am Hosenboden. 'In der närrischen Ausgelassenheit darf man sich gerne über etwas hinwegsetzten. Oder eben draufsetzen', so Thomas Holz. Begleitet werden die beiden von der einmaligen Figur 'Till', der den Menschen den Spiegel vorhält. Die Masken des Till und die der 'Früchtle' sind Kreationen von Ehren-Maskenmeister Walter Scholz.

In der Jubiläumssaison schaut die Maskengruppe nicht nur zurück, sondern auch in die Zukunft. Sechs Neulinge werden beim Abstauben feierlich in den Kreis der Ihren aufgenommen. Sie erhalten ihr traditionelles Narrenvesper - eine Brezel, ein Ei, Senf und ein Stück Wurst. Und für Moritz Epple ist es ein besonderer Abend. Lange hat er sich in der Gruppe bewährt, nun darf der Zwölfjährige mit der neuen Saison zum ersten Mal eine Maske tragen, und bekommt das handgeschnitzte Werk zusammen mit einem Maskenbrief überreicht.

Rückblick auf die Anfangsjahre

Gründung 44 Jahre Maskengruppe: Für die Fasnetzunft ein wahrhaft närrischer Anlass, zurück zu blicken. Ehren-Maskenmeister Walter Scholz berichtet aus den vergangenen Jahrzehnten: 'In der Zirbelstube des Hotels Stuttgarter Hof war 1971 die Geburtsstunde der Maskengruppe Garbenstrickle und Früchtle', schreibt er. Die Fasnetzunft selbst war schon im Jahr 1966 gegründet worden. Nun wollten aber einige Mitglieder neben dem karnevalistischen Teil auch das schwäbisch-alemannische Brauchtum übernehmen. 'Die Begeisterung der Pioniere von damals war überaus groß', erinnert sich Scholz. Früchtle und Garbenstrickle Die Kornwestheimer nahmen Kontakt zu einem namhaften Larvenschitzer im Schwarzwald auf und erwarben dort die ersten Masken. Walter Scholz ließ sich in der Kunst des Schnitzens ausbilden und übernahm später die Aufgabe selbst. Die Häser wurden derweil von gelernten Schneiderinnen und geübten Näherinnen aus den Reihen der Fasnetzunft angefertigt. 'Die Namensgebung der beiden Narrenfiguren sollte auf die örtlichen Besonderheiten abgestimmt sein. Die Narren entschieden sich für 'Garbenstrickle' - jene Hanfschnüre, die am oberen Teil des Häs angebracht sind, wurden ursprünglich zum Abbinden der Garben verwendet. Für das blaue Leinenhäs des 'Früchtle' hingegen wurde eine Vielzahl gelber Getreideähren verwendet. Das 'Früchtle' steht für die Fruchtbarkeit der Felder und der Landschaft rund um Kornwestheim. 'Die Gründer wollten keine Fantasiefiguren entwerfen oder kreieren, sondern Land und das Althergebrachte in das närrische Brauchtum einfügen', merkt Scholz an. Das einstige bäuerliche Wirken auf Hof und Feld habe dargestellt werden sollen. Etablierung Die Kornwestheimer Maskengruppe komponierte sogar einen eigenen Narrenmarsch. Die Garben-strickle verteilen bei Umzügen großzügig Würstle, die Früchtle Brezeln. 'Mit ihrer lustigen und bodenständigen Art sind sie zum festen Bestandteil der närrischen Tage in Kornwestheim geworden', resümiert Walter Scholz. 

Bilder von der Veranstaltung.

Quelle: Kornwestheimer Zeitung vom 13.01.2015

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